Das (Über)leben in
den Lagern







Inhalt


Der Verband der
ausgesiedelten
Slowenen


Die Geschichte des
slowenischen Volkes
in Kärnten

Der
Unterdrückungsprozess
der slowenischen
Sprache in Kärnten

Der Plebiszit

Die
Zwischenkriegszeit

Der Anschluss an
Hitler-Deutschland

Die Kärntner Slowenen
unter dem Zeichen des
Hakenkreuzes bis zum
Jahr 1941

Überfall auf
Jugoslawien

April 1942 - der
Monat der
Massenvertreibung von
Kärntner Slowenen

Das (Über)leben in
den Lagern

Widerstand gegen das
NS-Regime

Die Rückkehr
nach Hause

Nachkriegszeit

Das Niederschreiben
von Erinnerungen


Die Lage der Kärntner
Slowenen in der
heutigen Zeit


Quellen und Danksagungen

Das (Über)leben in den Lagern

In den Abendstunden fuhr der erste Zugrtransport in Richtung Deutschland, nach Wassertrüdingen, Hagenbüchach und Markt-Bibart. Am Tag darauf folgten weitere Transporte nach Glasow und Frauenaurach. Voller Angst fuhren die Kärntner Slowenen ihrer ungewissen Zukunft entgegen.
Folgende Familien wurden deportiert:

>>Auflistung aller ausgesiedelten Familien<<

Das alleinige Leiden im Zugtransport, wo die Menschen wie Vieh zusammengepfercht die Reise ins Ungewisse überstehen mussten, wurde von allen Ausgesiedelten sehr ähnlich beschrieben - immer herrschte Angst, Panik und Hunger.
Im "Reich" angekommen, wurden die deportierten Familien in diversen Lagern verteilt. Zu diesen "Aussiedlungslagern" zählten: Hesselberg, Frauenaurach, Hagenbüchach, Schwarzenberg in Rehnitz, Eichstätt, Wildsheim, Ettlingen, Rastatt, Weisenburg, Wernfels, Gerlachsheim, Buch, Alternberg-Terneberg in Mohringen und die beiden Lager Rettenbach und Altötting, welche als Familienlager für jene Menschen galten, welche Kontakte mit Partisanen pflegten.
Nicht schon genug, dass die slowenischen Familien alleinig wegen ihrer Sprache von zu Hause deportiert wurden, mussten sich diese von der Bevölkerung in Lagernähe diverse Beschimpfungen anhören. Von der dortigen Bevölkerung wurde unter den Ausgesiedelten nämlich Mörder oder "Bolschewiken" vermutet.
Der erste "Zwischenhalt" fand für die meisten Familien in Wassertrüdingen statt. Von hier aus wurden sie in diverse Lager verschleppt. Eins davon war das Lager "Hesselberg", in welchem sich die Menschen wegen der massenhaften Unterbringung in den Baracken zumeist zu zweit oder zu dritt ein Bett teilen mussten.
Hesselberg
Das Lager "Hesselberg", aus der sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Auch im Lager "Frauenaurach" führte die massenhafte Menschenansammlung dazu, dass bis zu zwölf Menschen in einer Barackeneinheit von 30 m2 zusammengepfercht wurden.
Frauenaurach
Das Lager "Frauenaurach", aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Vorerst durften die Lagerinsassen die jeweiligen Lager nicht verlassen. In weiterer Folge wurden Jungen und Männer, z.B. zur Zwangsarbeit in Stuttgart verpflichtet. In Hesselberg hatten die Menschen jedoch das Glück, einen relativ humanen Lagerführer zu haben, welcher oft beide Augen "zudrückte" und somit sogar ein wenig Zerstreuung zuließ - wie z.B. einen Lagerchor.
Lagerchor
Der slowenische Chor im Lager "Hesselberg", aus dem Buch "Narodu in državi sovražni/Volks- und staatsfeindlich, Celovec/Klagenfurt, 1992
Den Eltern aus den Lagern "Hesselberg" und "Frauenaurach" war es sogar möglich für ihre Kinder eine Art "Kindergarten" und auch eine Schule einzurichten.
Schule
Schule im Lager "Hesselberg", Schulklasse 1943 mit den Lehrern Janez Lepuschitz (in der Mitte links) und Franc Košutnik (in der Mitte rechts), aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Im Lager "Frauenaurach" wurden die Lehraufgaben von Hanzi Dragašnik aus Köstenberg übernommen. Dieser lehrte die Kinder sogar Fächer wie Physik und Chemie, welche für Slowenen von Seiten der deutschen Bevölkerung auch schon vor dem Krieg als unnötig angesehen wurden. Den Unterrichtsmöglichkeiten im Lager wurde von Seiten des "Reichs" jedoch schnell ein Ende gemacht und Dragašnik wurde an die Front geschickt.
Die Bildungslücken bedeuteten für die Lagerkinder lebenslange Benachteiligungen in Beruf und Leben. Ältere Kinder wurden ab sofort wieder zur Arbeit geschickt - Jungen in die Industrie, Mädchen in die Hauswirtschaft. Oft mussten die Lagerinsassen die ganze Woche getrennt von ihrer Familie am Arbeitsplatz verweilen. Einer Flucht von diesem, oder aus den Lagern standen strenge Strafmaßnahmen oder das KZ entgegen.
So gab es in den meisten Lagern jeden Sonntag einen Appell, dessen "Auslassen" bzw. Abwesenheit streng bestraft wurde. Der Lagerinsasse Simon Dovjak wurde wegen einer Abwesenheit ins KZ verschleppt und kehrte nie wieder zurück.
Hesselberg
Eine Gruppe von Ausgesiedelten im Lager Hesselberg, aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"

Nur selten blieben die Lagerinsassen in ein und demselben Lager - oft wurden diese zwei bis dreimal umgesiedelt, da die Lager für Soldaten, oder neue Ausgesiedelte gebraucht wurden. So waren die jeweiligen Lager oft nur der Anfang des Kreuzweges durch diverse Gefängnisse und Konzentrationslager, welche viele Insassen bestreiten mussten.
Wenn jemand nicht sofort gehorchte, oder dem Lagerführer etwas gegen den Sinn geriet, mussten sogar Kinder mit derartiger Schläge dafür bezahlen, dass sie blau anliefen.
Viele Lagerführer drohten mit "Auschwitz" und neben Ihnen machten zu dem auch noch sadistische Krankenschwestern und Lagerärzte den Insassen das Leben zur Hölle. In Eichstätt wurden an sterbenden Kindern medizinische Experimente durchgeführt, welche sie letztendlich das Leben kostete.
Eichstätt
Eine Gruppe von Ausgesiedelten am Hof des Lagers "Eichstätt", aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Auch im fünfstöckigen Lager "Hagenbüchach", welches auch "Jakoberhaus" genannt wurde, mussten die Insassen unter dem kaltherzigen Lagerführer leidend, jeden Tag damit rechnen, dass sie ins KZ gebracht werden.
Jakoberhaus
Das "Jakoberhaus" - einjähriges Aufenthaltslager für hundert Vertriebene, aus der Sammlung von F. Rehsmann, für das Buch "Rod pod Jepo"
Neben den Schikanen von Lagerführern, "Krankenschwestern" und Lagerärzten, wurden z. B. die Insassen der Lager Rastatt und Rehnitz auch noch untereinander aufgehezt, da der Hunger und die Kälte sogar einstige Freunde zu Konkurrenten werden ließ.
Rastatt
Vertriebene im Lager "Rastatt", aus der sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Rehnitz
Vertriebene im Lager "Rehnitz" in der Nähe von Settin, aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Zusätzlich trug auch noch die mangelnde Hygiene in den Lagern das Ihrige zu einem unbehaglichen Leben bei. Kleider wurden hauptsächlich schmutzig getragen, da Waschmöglichkeiten sehr rar waren und oft trug man auch die blutige KZ-Kleidung von Juden, welche nach der Vergasung dieser mit einem Davidsstern versehen an diverse Lager weiter verfrachtet wurde. Die Situation in den Lagern war daraus resultierend menschenunwürdig.
Einigermaßen besser erging es manchen Menschen, welche die ganze Woche in solchen Betrieben untergebracht wurden, dessen Arbeitgeber vom NS-Regime enttäuscht, den Slowenen humaner entgegen standen.
borotschnik
Ausweis für die Fahrt vom Lager zum Arbeitsplatz von Stanko Borotschnik, aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
In den meisten Fällen wurden die Menschen jedoch auch an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen schikaniert und gepeinigt. So z.B. im Lager Rehnitz, wo die Menschen von den Bauern als "Zugtiere" verwendet wurden und ohne Wasser ganztägig Feldarbeit verrichten mussten. Auch die Mädchen aus dem Lager Hagenbüchach mussten sich ausrechnen, wie sie überleben konnten. Bekamen sie doch für ihre Arbeit monatlich kaum 20 Reichsmark.
Mädchen
Fani Rehsmann, Rozi Kofler, Rezka, Mici Rehsamm, aus der Sammlung von F.Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
Aus diversen Lagern wurden Männer zu dem auch als "Kanonenfutter" an der Front eingesetzt und mussten paradoxerweise auch noch für jene Seite kämpfen, von welcher sie dermaßen gepeinigt wurden.
Die Art, wie man die Kärntner Slowenen in den verschiedenen Lagern behandelte, variierte von "einigermaßen human bis zur Gänze menschenunwürdig". Die einzelnen Lager blieben gesamt gesehen jedoch immer ein Ort des Grauens und einer ungewissen Zukunft.
Am Ende des zweiten Weltkrieges wurden 11.500 verschiedene Lager, Gefängnisse, Ghettos und andere Orte des Grauens ausfindig gemacht.
Gedenktafel
Gedenktafel für alle im zweiten Weltkrieg in deutschen Lagern verstorbenen Kärntner Slowenen, Bild ZSI
Um nur ein grausames Beispiel des Völkermordes zu nennen: in Vellach bei Eisenkappel lebten vor dem Krieg 3.700 Einwohner, vorwiegend Kärntner Slowenen. Heute leben dort nur mehr 1.900 Menschen.