Das (Über)leben in
den Lagern
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Das (Über)leben in den Lagern
In den Abendstunden fuhr der erste Zugrtransport in Richtung Deutschland, nach
Wassertrüdingen, Hagenbüchach und
Markt-Bibart. Am Tag darauf folgten weitere Transporte nach
Glasow und Frauenaurach. Voller
Angst fuhren die Kärntner Slowenen ihrer ungewissen Zukunft entgegen.
Folgende Familien wurden deportiert:
Das alleinige Leiden im Zugtransport, wo die Menschen wie Vieh zusammengepfercht die
Reise ins Ungewisse überstehen mussten, wurde von allen Ausgesiedelten sehr ähnlich
beschrieben - immer herrschte Angst, Panik und Hunger.
Im "Reich" angekommen, wurden die deportierten Familien in
diversen Lagern verteilt. Zu diesen "Aussiedlungslagern" zählten:
Hesselberg, Frauenaurach, Hagenbüchach, Schwarzenberg in Rehnitz,
Eichstätt, Wildsheim, Ettlingen, Rastatt, Weisenburg, Wernfels, Gerlachsheim, Buch,
Alternberg-Terneberg in Mohringen und die beiden Lager
Rettenbach und Altötting, welche
als Familienlager für jene Menschen galten, welche Kontakte mit Partisanen pflegten.
Nicht schon genug, dass die slowenischen Familien alleinig wegen ihrer Sprache von zu
Hause deportiert wurden, mussten sich diese von der Bevölkerung in Lagernähe diverse
Beschimpfungen anhören. Von der dortigen Bevölkerung wurde unter den Ausgesiedelten
nämlich Mörder oder "Bolschewiken" vermutet.
Der erste "Zwischenhalt" fand für die meisten Familien in
Wassertrüdingen statt. Von hier aus wurden sie in diverse
Lager verschleppt. Eins davon war das Lager "Hesselberg",
in welchem sich die Menschen wegen der massenhaften Unterbringung in den Baracken
zumeist zu zweit oder zu dritt ein Bett teilen mussten.
Das Lager "Hesselberg", aus der sammlung von F. Rehsmann für das Buch
"Rod pod Jepo"
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Auch im Lager "Frauenaurach" führte die massenhafte
Menschenansammlung dazu, dass bis zu zwölf Menschen in einer Barackeneinheit von 30 m2
zusammengepfercht wurden.
Das Lager "Frauenaurach", aus der Sammlung von F. Rehsmann für das Buch
"Rod pod Jepo"
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Vorerst durften die Lagerinsassen die jeweiligen Lager nicht verlassen. In weiterer
Folge wurden Jungen und Männer, z.B. zur Zwangsarbeit in
Stuttgart verpflichtet. In
Hesselberg hatten die Menschen jedoch das Glück, einen
relativ humanen Lagerführer zu haben, welcher oft beide Augen "zudrückte" und somit
sogar ein wenig Zerstreuung zuließ - wie z.B. einen Lagerchor.
Der slowenische Chor im Lager "Hesselberg", aus dem Buch "Narodu in
državi sovražni/Volks- und staatsfeindlich, Celovec/Klagenfurt,
1992
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Den Eltern aus den Lagern "Hesselberg" und
"Frauenaurach" war es sogar möglich für ihre Kinder eine
Art "Kindergarten" und auch eine
Schule einzurichten.
Schule im Lager "Hesselberg", Schulklasse 1943 mit den Lehrern Janez Lepuschitz
(in der Mitte links) und Franc Košutnik (in der Mitte rechts), aus der
Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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Im Lager "Frauenaurach" wurden die Lehraufgaben von
Hanzi Dragašnik aus
Köstenberg übernommen. Dieser lehrte die Kinder sogar
Fächer wie Physik und Chemie, welche für Slowenen von Seiten der deutschen Bevölkerung
auch schon vor dem Krieg als unnötig angesehen wurden. Den Unterrichtsmöglichkeiten im
Lager wurde von Seiten des "Reichs" jedoch schnell ein Ende
gemacht und Dragašnik wurde an die Front geschickt.
Die Bildungslücken bedeuteten für die Lagerkinder lebenslange Benachteiligungen in
Beruf und Leben. Ältere Kinder wurden ab sofort wieder zur Arbeit geschickt - Jungen
in die Industrie, Mädchen in die Hauswirtschaft. Oft mussten die Lagerinsassen die
ganze Woche getrennt von ihrer Familie am Arbeitsplatz verweilen. Einer Flucht von
diesem, oder aus den Lagern standen strenge Strafmaßnahmen oder das KZ entgegen.
So gab es in den meisten Lagern jeden Sonntag einen Appell, dessen "Auslassen" bzw.
Abwesenheit streng bestraft wurde. Der Lagerinsasse
Simon Dovjak wurde wegen einer Abwesenheit ins KZ
verschleppt und kehrte nie wieder zurück.
Eine Gruppe von Ausgesiedelten im Lager Hesselberg, aus der Sammlung von F.
Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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Nur selten blieben die Lagerinsassen in ein und demselben Lager - oft wurden diese
zwei bis dreimal umgesiedelt, da die Lager für Soldaten, oder neue Ausgesiedelte
gebraucht wurden. So waren die jeweiligen Lager oft nur der Anfang des Kreuzweges
durch diverse Gefängnisse und Konzentrationslager, welche viele Insassen bestreiten
mussten.
Wenn jemand nicht sofort gehorchte, oder dem Lagerführer etwas gegen den Sinn geriet,
mussten sogar Kinder mit derartiger Schläge dafür bezahlen, dass sie blau anliefen.
Viele Lagerführer drohten mit "Auschwitz" und neben Ihnen
machten zu dem auch noch sadistische Krankenschwestern und Lagerärzte den Insassen das
Leben zur Hölle. In Eichstätt wurden an sterbenden Kindern
medizinische Experimente durchgeführt, welche sie letztendlich das Leben kostete.
Eine Gruppe von Ausgesiedelten am Hof des Lagers "Eichstätt", aus der Sammlung
von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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Auch im fünfstöckigen Lager "Hagenbüchach", welches auch
"Jakoberhaus" genannt wurde, mussten die Insassen unter dem
kaltherzigen Lagerführer leidend, jeden Tag damit rechnen, dass sie ins KZ gebracht
werden.
Das "Jakoberhaus" - einjähriges Aufenthaltslager für hundert Vertriebene, aus der
Sammlung von F. Rehsmann, für das Buch "Rod pod Jepo"
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Neben den Schikanen von Lagerführern, "Krankenschwestern" und Lagerärzten, wurden
z. B. die Insassen der Lager Rastatt und
Rehnitz auch noch untereinander aufgehezt, da der Hunger
und die Kälte sogar einstige Freunde zu Konkurrenten werden ließ.
Vertriebene im Lager "Rastatt", aus der sammlung von F. Rehsmann für das Buch
"Rod pod Jepo"
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Vertriebene im Lager "Rehnitz" in der Nähe von Settin, aus der Sammlung von
F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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Zusätzlich trug auch noch die mangelnde Hygiene in den Lagern das Ihrige zu einem
unbehaglichen Leben bei. Kleider wurden hauptsächlich schmutzig getragen, da
Waschmöglichkeiten sehr rar waren und oft trug man auch die blutige KZ-Kleidung von
Juden, welche nach der Vergasung dieser mit einem Davidsstern versehen an diverse
Lager weiter verfrachtet wurde. Die Situation in den Lagern war daraus resultierend
menschenunwürdig.
Einigermaßen besser erging es manchen Menschen, welche die ganze Woche in solchen
Betrieben untergebracht wurden, dessen Arbeitgeber vom NS-Regime enttäuscht, den
Slowenen humaner entgegen standen.
Ausweis für die Fahrt vom Lager zum Arbeitsplatz von Stanko Borotschnik, aus der
Sammlung von F. Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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In den meisten Fällen wurden die Menschen jedoch auch an ihren jeweiligen
Arbeitsplätzen schikaniert und gepeinigt. So z.B. im Lager Rehnitz, wo die Menschen
von den Bauern als "Zugtiere" verwendet wurden und ohne Wasser ganztägig
Feldarbeit verrichten mussten. Auch die Mädchen aus dem Lager
Hagenbüchach mussten sich ausrechnen, wie sie überleben
konnten. Bekamen sie doch für ihre Arbeit monatlich kaum 20 Reichsmark.
Fani Rehsmann, Rozi Kofler, Rezka, Mici Rehsamm, aus der Sammlung von
F.Rehsmann für das Buch "Rod pod Jepo"
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Aus diversen Lagern wurden Männer zu dem auch als
"Kanonenfutter" an der Front eingesetzt und mussten
paradoxerweise auch noch für jene Seite kämpfen, von welcher sie dermaßen gepeinigt
wurden.
Die Art, wie man die Kärntner Slowenen in den verschiedenen Lagern behandelte,
variierte von "einigermaßen human bis zur Gänze menschenunwürdig". Die einzelnen Lager
blieben gesamt gesehen jedoch immer ein Ort des Grauens und einer ungewissen Zukunft.
Am Ende des zweiten Weltkrieges wurden 11.500 verschiedene Lager, Gefängnisse,
Ghettos und andere Orte des Grauens ausfindig gemacht.
Gedenktafel für alle im zweiten Weltkrieg in deutschen Lagern verstorbenen
Kärntner Slowenen,
Bild ZSI
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Um nur ein grausames Beispiel des Völkermordes zu nennen: in
Vellach bei Eisenkappel lebten vor dem Krieg 3.700
Einwohner, vorwiegend Kärntner Slowenen. Heute leben dort nur mehr 1.900 Menschen.
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